KREUZSCHNITT GmbH
Archäologie|Grabung|Betreuung|Beratung

 

Bedeutende Funde aus dem Mittelalter im Nürnberger Stadtteil Leyh

Das Neubauprojekt LEYH 634 von Bayernhaus entsteht auf historisch wertvollem Boden

Im Zuge des Neubauprojekts der Bayernhaus Wohn- und Gewerbebau GmbH wurden bei Grabungsarbeiten erstmals Reste eines mittelalterlichen Dorfkerns im Stadtteil Leyh entdeckt. Sie machen es möglich, die Entstehungsgeschichte des Stadtteils mehr als 200 Jahre vor die erste urkundliche Erwähnung zurück zu datieren und liefern wichtige, neue Erkenntnisse über die Siedlungs- und Sozialstruktur.

Wie sah der Nürnberger Vorort vor 700 Jahren aus? Wer lebte dort? Und welche Geschichte erzählen die Reste von Keramik, Knochen und Gemäuern alter Gehöfte über das Leben im mittelalterlichen Leyh?

Diese und weitere Fragen beantworten Ann-Kathrin Biermann, Archäologin der KREUZSCHNITT GmbH und Grabungsleitung in der Rauhäckerstraße 12 in Leyh, sowie John Zeitler, Stadtarchäologe der Bauordnungsbehörde für den Bereich Denkmalschutz.

Was wurde bei den Grabungen in der Rauhäckerstraße gefunden?

Biermann: Die Befunde im Boden in der Rauhäckerstraße 12 sind voll mit Keramik aus dem Spätmittelalter. Wir fanden Schüsselkacheln und Vierpassbecher, die typisch für das ausgehenden Mittelalter in der Region sind. Bei den Grabungen stießen wir außerdem auf einen Brunnen, der uns weitreichende Einblicke bot.

Was ist der interessanteste Befund?

Biermann: Der Brunnen aus dem späten 13. Jahrhundert. Darin kamen reichlich mittelalterliches Keramikmaterial und Tierknochen zum Vorschein, die uns viel über die Siedlungs- und Sozialstruktur dieses Dorfes verraten. Wirklich sehr spannend.

Welche neuen Erkenntnisse liefert die Grabung?

Zeitler: Wir stoßen mit den Grabungen in Bereiche vor, über die wir bisher noch gar nicht wussten, dass sie besiedelt waren. Leyh taucht in Urkunden erstmals um 1450 auf. Mit Hilfe dieser Funde lässt sich aber bereits eine Bebauung in der Zeit um 1250 nachweisen. Für uns sind die Scherbenfunde wie ein Briefumschlag mit einem Poststempel. So wie wir heute mit unserem Geschirr Modeerscheinungen unterworfen sind, war es auch schon früher und dadurch können wir datieren.

Diese Funde rutschen die ganze Geschichte von Leyh nach hinten und das Dorf wird urplötzlich 200 Jahre älter. Nun ist es unsere Aufgabe, den Teil, den man schriftlich nicht nachweisen kann, durch die Funde nachvollziehbar zu machen.

Interessant sind für uns aber neben den Keramikscherben auch die zahlreichen Tierknochen. Sie geben einen Einblick in die Speisekarte der Leute, die hier lebten, und damit in ihre Stellung und die Sozialstruktur des Dorfes. Fakt ist: Hier lebten keine armen Tagelöhner. Es wurden viele Knochen von Schweinen gefunden. Schwein ist das gehobene Fleisch – eigentlich eine städtische Nahrung. Den Leuten hier ging es also gut. Sie konnten sich mit einem Brunnen sogar eine eigene Wasserversorgung leisten. Das ist alles andere als selbstverständlich.

Urplötzlich wächst dieses unbekannte Dorf Leyh mit seinen Bewohnern aus dem Verborgenen und wir können über die Hofstelle erste Aussagen treffen, die bisher nie urkundlich niedergelegt wurden.

Haben Sie mit diesen Ergebnissen gerechnet?

Zeitler: Mit einer Besiedlung vor dem 15. Jahrhundert habe ich gerechnet. Aber dass wir gleich auf eine reiche Hofstelle treffen, hätte ich nicht gedacht. Typisch für den Ortsrand wäre ein Hirtenhaus gewesen. Insofern eine angenehme Überraschung, die uns Aufschluss über die Sozialstruktur dieser sonst völlig unbekannten Dörfer gibt. Außer der Erwähnung, dass es Leyh gibt, hatten wir bisher nichts. Diese Grabungen sind die ersten konkreten Befunde über Leyh. Sie zeigen uns, dass Leyh ursprünglich nicht unbedingt eine vergessene Ansammlung von Höfen in der Einöde zwischen Nürnberg und Fürth war – wie man es zunächst vermuten könnte.

Welche Hinweise gab es, dass hier historisch bedeutende Fundstücke im Verborgenen liegen?

Biermann: Aufgrund des Archivmaterials wussten wir, dass hier drei oder vier lose Höfe standen, es eine Straße und einen Bach gab. Die Nähe zu einer Wasserversorgung und zu Nürnberg als Metropole machten es interessant, hier zu siedeln. Der Nürnberger Hauptmarkt war damals zum Beispiel mit einer Wagentour nur eine Tagesreise entfernt. Das war eine strategisch attraktive Lage für landwirtschaftliche Zubringer. All das waren Hinweise, dass hier etwas Interessantes gefunden werden könnte.

Wieso fanden in Leyh erst jetzt zum ersten Mal Ausgrabungen statt?

Biermann: Die Bayernhaus Wohn- und Gewerbebau GmbH erwarb das Grundstück im November 2017 und plante das Häuserprojekt „LEYH 634 – Beide Städte leben“. Bei solch einem Neubauprojekt kommt es natürlich zu Bodeneingriffen. Wir wussten aufgrund des Archivmaterials, dass es hier eine mittelalterliche Besiedlung gab, deshalb muss während solcher Eingriffe in den Boden ein Archäologen-Team vor Ort sein und einschätzen, ob es interessante Befunde geben könnte. Dies war hier der Fall und dann begannen die Ausgrabungen.

Was bedeuten die Ausgrabungen und Funde für die Firma Bayernhaus und deren Neubauprojekt?

Zeitler: Natürlich konnte während unserer Tätigkeit in der Rauhäckerstraße nicht weitergebaut werden. Nach drei Monaten sind wir nun fertig und ich kann sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen Bayernhaus und unserer Behörde wirklich ausgezeichnet lief. Wir freuen uns, dass Bayernhaus sich als Bauherr, der die gesamten Kosten der Grabungen trägt, an der Kulturförderung in Nürnberg beteiligt. Und es hat sich gelohnt, denn was gibt es Schöneres als auf historisch wertvollem Boden zu leben? 



Einige Eindrücke vor Ort:
links: Anlegen eines Kreuzschnitts im Bereich des Brunnens 
rechts: Profilschnitt durch eine Pfostengrube mit deutlicher Pfostenstandspur
unten: drei Ansichten (untersch. Blickwinkel und Arbeitsstadien) einer steingefassten Latrine





Dieser Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung der Bayernhaus Wohn- und Gewerbebau GmbH hier veröffentlicht.

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